Die Grünen und das Internet — Antwort von Johannes Lichdi bei Abgeordnetenwatch
Thu, 30 Jul 2009
Tags: Privat, Johannes Lichdi, Abgeordnetenwatch, Zugangserschwerungsgesetz, Matthias Güldner, Jörg Tauss
Nachdem bei der Abstimmung über das Zugangserschwerungsgesetz (aka Zensur(sula)) 15 Abgeordnete der Grünen durch ihr enthalten enttäuscht haben und nachdem Matthias Güldner diese Woche als dem Bundestagswahlprogramm seiner Partei wiedersprechender uninformierter Neunmalkluger die Netzwelt verärgerte, was sogar zu einigen Parteiaustritten bei den Grünen geführt hatt, gibt es jetzt wieder erfreulichere Nachrichten aus seiner Partei:
Der Bundesvorstand hat sich klar gegen Güldners Beitrag possitioniert und nochmal richtig gestellt, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist (was auch nicht ernsthaft gefordert, aber häufig vorgeworfen wird), jedoch auf keinen Fall ein bürgerrechtsfreier Raum werden dürfe.
Weiterhin konnte ich mich in dieser Sache über eine inhaltlich gute und ausführliche Antwort von Johannes Lichdi bei Abgeordnetenwatch auf meine Fragen freuen. Johannes Lichdi — MdL der Grünen und Direktkandidat für Dresden III — hatte mich bereits auf mehreren Veranstaltungen (Datenspuren, Chemnitzer Linuxtage, 1984-Lesung unter der Kamera, Bildungsstreik und natürlich im Landtag) überzeugt.
JL (er unterschreibt seine Mails an mich mit den gleichen Initialen, wie ich bei Mails an ihn) hat seine umfangreiche Antwort in mehrere Teile gegliedert. Zuerst erklärt er den Inhalt des Zugangserschwerungsgesetzes, danach fasst er die Kritik am Gesetz zusammen und legt das übliche Muster dar, wie Überwachungsgesetze durchgesetzt werden. Diese Ausführungen kann ich allen, die sich damit noch nicht beschäftigt haben nur wärmstens empfehlen!
Anschließend analysiert er die Problemfälle Güldner und die 15 Enthalter aus den eigenen Reihen. Seine Zusammenfassung warum sich diese Parteimitglieder wahrscheinlich so verhalten ähnelt der ausführlichen Begründung des SPD-Abstimmverhaltens von Jörg Tauss. Lichdi bedauert dieses Verhalten und erklärt warum man es dennoch tolerieren sollte. Er erläutert, dass die Grünen dazu stehen und ganz bewusst die namentliche Abstimmung beantragt hatten um für mehr Transparenz zu sorgen. Ein sehr interessantes Detail dass er erwähnt ist, dass „sich zahlreiche Abgeordnete der FDP und der LINKEN durch Abwesenheit“ der Abstimmung entzogen haben. Dies habe ich überprüft:
Partei | Ja | Nein | Enthalten | Nicht abgegeben | |
CDU/CSU | 198 | 1 | 0 | 24 | 11% |
SPD | 190 | 3 | 3 | 26 | 12% |
FDP | 0 | 54 | 0 | 7 | 12% |
Die Linke | 0 | 36 | 0 | 17 | 32% |
Die Grünen | 0 | 33 | 15 | 3 | 6% |
fraktionslose | 1 | 1 | 0 | 0 | 0% |
Im Bezug auf die FDP stimmt die Aussage nicht ganz, dort haben sich (relativ gesehen) änlich viele wie bei SPD und CDU/CSU enthalten. Oder gibt es etwa auch soviele stille Kritiker bei diesen Parteien wie Verräter in der FDP? — Wäre ja erfreulich, nur sollten die dann öfter mal ihrem Gewissen statt der Kariereleiter folgen! Im Bezug auf Die Linken und die Grünen ist die Tendenz aber wie von Lichdi behauptet: Bei den Grünen waren in diesem Fall vorbildliche 96% anwesend, bei den Linken nur schwache 68%.
Eine nettes Feature auf das Lichdi verweist ist der Versuch das Sperrgesetz für InternetLeyenlaien zu erklären. Anschauliche Analogien, die ich für meine eigene Großmutter aber zum Glück nicht brauche — obwohl sie kein Internet nutzt, versteht auch sie die aktuellen Probleme und Lösungsansätze. Gestern hat sie mir davon erzählt, was sie in der Zeitung positives über die Piraten gelesen hat :)
Updates:
- Matthias Güldner hat auf die Kritik zu seinem Beitrag reagiert. Er sieht ein, er ist „denjenigen, die sich mit dem Thema Internet befassen, auf die Füße getreten. Viele haben sich provoziert und beleidigt gefühlt“ — Er entschuldigt sich für die als Beleidigung aufgefasste Provokation und begründet warum er diese geschrieben hatte. Auch wenn man über seine Position zum Thema Zensur streiten kann, ich finde diesen Umgang mit Kritik vorbildlich! Egal ob er von alleine drauf gekommen ist oder ob die Partei es ihm nahegelegt hat, er ist wenigstens nicht so Beratungsresistent wie viele andere…
- Johannes Lichdi hat mir auch noch meine zweite Frage bei Abgeordnetenwatch beantwortet.