Blog von Johannes Lötzsch

KIF Review

Sun, 30. May 2010

Tags: KIF, Ölkatastrophe, FairTrade, INDECT, Bildungspolitik

Ich sitze seit gestern Abend im (voraussichtlich noch sehr lange dauernden) Abschlussplenum der Konferenz der deutschsprachigen Informatikfachschaften. Parallel zu den ausführlichen Diskussionen möchte ich die Zeit nutzen um hier kurz zu beschreiben, was die KIF ist und vor allem mit welchen Themen wir uns diesmal beschäftigt haben.

Die KIF beschreibt sich selbst so: „Auf der Konferenz der Informatikfachschaften kommen Fachschaftmitglieder zusammen, um Erfahrungen auszutauschen, zusammen Probleme zu besprechen, deren Lösungen zu erarbeiten und gemeinsame Entschlüsse auf den Weg zu bringen. Durch einen gemütlichen, zeitlich ausreichenden Rahmen, fällt es den Teilnehmern leicht die anderen Fachschaften kennenzulernen und schon geknüpfte Kontakte aufrecht zu erhalten.“

Sie findet halbjährich an einer anderen Hochschule statt, dieses mal ist sie gemeinsam mit der Konferenz der Mathefachschaften bei uns an der TU Dresden zu Gast. Nach einem Aufbautag (Dienstag) und einem Kulturtag (Mittwoch) beschäftigten sich die ca. 150 Gäste in den unterschiedlichsten Arbeitskreisen (AKs) und lebten in dieser Zeit in unserer Fakultät.

In der heutigen letzen Nacht findet das Abschlussplenum statt, in dieser werden die Ergebnisse besprochen. Zur Diskussion stehen/standen heute Nacht 6 Resulutionsentwürfe. Diese werden solange besprochen, bis sich auf einen Konsens geeinigt werden kann oder bis feststeht das dies nicht möglich ist.

„Resolution an das Loch“ des AK Ölkatastrophe

Die 38.0 Konferenz der Informatikfachschaften (KIF) fordert das Loch im Golf von Mexiko auf, unverzüglich die massive Umweltverschmutzung durch Einleiten von Öl ins Meer einzustellen.

Keine juristische Person zu sein, ist weder Entschuldigung noch Rechtfertigung für ein solches Verhalten.

Diese „Spaßreso“ wurde von einer Arbeitsgruppe vorgeschlagen, die sich mit der aktuellen Ölkatastrophe im Golf von Mexiko auseinandergesetzt hat. Die Reso karrikiert die Tatsache, dass sich die Beteiligten Konzerne gegenseitig die Verantwortung zuschieben.

In diesem Zusammenhang interessant ist auch das Totalversagen (Bestechlichkeit) der Kontrollbehörden. Mehr zum Thema gibt es in diesem Podcast.

Aufgrund der Ernstheit des Themas wurde sich im Plenum entschieden, diese Reso nicht zu verabschieden.

Resolution „Mate soll FairTrade werden“

Der AK „Weltrettung“ hat sich unter anderem mit Fairtrade beschäftigt. Folgendes Aufforderungsschreiben wurde an den Hersteller unseres lieblings Erfrischungsgetränks („Hackerbrause“) geschrieben:

Liebes Club-Mate-Team,

die 38,0. Konferenz der deutschsprachigen Informatikfachschaften (KIF) stellt fest: Wir trinken ziemlich viel Club-Mate. Damit ist es gewissermaßen unsere Verbraucherpflicht, Euch über unsere Vorliebe für fair gehandelte Produkte zu informieren.

Wir bitten Euch, Fairtrade in Eurer Konzept miteinzubeziehen.

Also, auf gehts!
Wir würden uns über eine Antwort freuen.

Mit sonnigen Grüßen aus Dresden,
eure Informatik-Fachschaften

Auch wenn es zu diesem Zeitpunkt die Sonne nicht mehr, aber auch noch nicht wieder schien: Die Forderung wurde vom Plenum bestätigt.

Resolution zum „Ewigen Frühstück“

Als eigener Beitrag zu Fairtrade würde noch eine weitere Reso verabschiedet:

Die 38,0. Konferenz der deutschsprachigen Informatikfachschaften (KIF) ruft die Organisatoren der nachfolgenden KIFs dazu auf, beim Ausrichten der Konferenzen mehr Wert auf ökologische und ethische Gesichtspunkte zu legen. So sollte insbesondere bei den Lebensmitteln für das "Ewige Frühstück" verstärkt auf Bio- und Fair-Trade-Produkte geachtet werden.

Das „Ewige Frühstück“ ist unser die ganze Konferenz andauerndes ganztägiges Buffet.

Resolution gegen INDECT

INDECT ist eine Abkürzung für "Intelligent information system supporting observation, searching and detection for security of citizens in urban environment" (Intelligentes Informationssystem, das Überwachung, Suche und Erkennung für die Sicherheit von Bürgern in städtischer Umgebung unterstützt). Das ist ein von der Europäischen Union im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms mit vielen Millionen Euro finanziertes Projekt, an welchem auch deutschsprachige Hochschulen wie die Uni Wuppertal oder die FH Wien teilnehmen.

Mithilfe von Data Mining sollen Daten aus verschiedenen Quellen wie Überwachungskameras, diversen vorhandenen Datenbanken der Mitgliedsstaaten sowie Daten aus dem Internet (Kommunikationsüberwachung und Webcrawling z.B. von sozialen Netzwerken) zusammengeführt und analysiert werden. Ebenfalls ist die Durchsuchung von Privat-PCs (EU-Trojaner) vorgesehen. Ziel ist die Erkennung und Bekämpfung „abnormalen Verhaltens“ von Bürgern.

Die 38,0te Konferenz der Informatikfachschaften (KIF) ist der Meinung, dass Hochschulen keinerlei Forschungsaufgaben übernehmen sollten, welche wie INDECT konzeptionell mit geltendem Datenschutz- und Verfassungsrecht im Widerspruch stehen. Es darf nicht sein, dass die Hochschulen eine Entwicklung zu einer Übewachungsgesellschaft fördern, welche die Bürger zur Konformität zwingt. Wir wollen, dass die Ergebnisse dieser Forschungen veröffentlicht und nicht wie bei INDECT den EU-Bürgern vorenthalten werden, obwohl diese von den EU-Plänen massiv betroffen sind.

Die KIF fordert von der Politik, den Bürgern nicht länger durch verdachtsunabhängige Überwachung mehr Sicherheit vorzugaukeln, sondern sich endlich wieder auf die Idee einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu besinnen, in der die Privatsphäre der Bürger wieder einen hohen Stellenwert hat.

Diese Resolution des von Yoeak und mir geleiteten Arbeitskreises würde einstimmig verabschiedet.

Resolution zur Bildungspolitik

Die folgende Resolution ist das Ergebnis aus dem Wegstreichen nicht konsensfähiger Abschnitte aus einem ursprünglich noch umfangreicheren Vorschlages:

Die derzeit formulierte Zielsetzung der Bundesregierung zur Bildungspolitik ist nicht ausreichend.

Ein Ziel der Bildungspolitik soll sein, selbstbewusste und kritisch denkende Menschen auszubilden.

Die 38,0te Konferenz der Informatikfachschaften (KIF) fordert, dass Menschen ihr Leben lang entscheiden dürfen, zu lernen. Der Staat soll jede dahingehende Eigeninitiative unterstützen, unabhängig von Alter und Vorbildung.

Nur lebenslanges Lernen ermöglicht, dass Personen global und unabhängig denken und ethisch und moralisch ihre Möglichkeiten voll nutzen.

Bildung ist unser höchstes Gut.

Im Einzelnen fordert die 38,0te KIF insbesondere die Einrichtung von verfassten Studierendenschaften an allen deutschsprachigen Hochschulen, sowie die konkrete Umstetzung der folgende Vorschläge:

Allgemeine Forderungen

Bildung soll in allen Bereichen kostenlos sein. Der Zugang zu Lehre und Lehrmitteln darf nicht von der eigenen finanziellen Situation beschränkt sein. Benachteiligungen sollen durch Beratung und Unterstützung ausgeglichen werden. Diese Angebote sollen transparent und frei zugänglich sein.

Wir fordern die Umsetzung des durch Bologna angedachten problemlosen Wechsels der Ausbildungsstätte mindestens innerhalb des gesamten Bundesgebietes.

Die Bundesländer haben kein gemeinsames Bildungskonzept. Wir fordern daher die Entwicklung eines gemeinsamen Bildungskonzepts für alle Hochschulen.

Der Wohnsitz im Bundesgebiet soll nicht über die Qualität der Bildung bestimmen dürfen.

Gestaltung der Lehre

Weiterhin fordern wir ein ausgewogenes Verhältnis von Praxis und Theorie im Lehramtstudium und eine frühere Konfrontation der Studierenden mit ihrem späteren Berufsfeld.

Lehrkräfte sollen nach ihrem Studium an den Hochschulen weitergebildet werden. Eine rein privatwirtschaftliche Weiterbildung ist nicht ausreichend.

Lehrer, Dozenten und studentische Tutoren haben unterschiedliche Verantwortung in der Lehre und müssen dementsprechend angemessen didaktisch ausgebildet beziehungsweise geschult werden.

Wir fordern die Gestaltung der Lehre unter der Einbeziehung von Didaktikfachkräften, Lehrenden und Studierenden aus allen Bereichen.

Das Betreuungsverhältnis soll verbessert werden.

Wir fordern, dass geplante Lehrangebote an der Uni auch bei geringer Teilnehmerzahl stattfinden, statt sie zu streichen.

Resolution des AK Teilzeitstudium

Ein individuelles Teilzeitstudium sollte für alle möglich sein, weil jeder Mensch die Möglichkeit haben sollte, sein Leben weitesgehend selbst zu bestimmen und der eigenen Lebenssituation anzupassen. Dies unterstützt auch die Idee des lebenslangen Lernens.

Das Plenum ist jetzt 5:18h vorbei. Meine Wette (auf der zu jeder KIF existierenden Wettliste) lautete auf 5:23h — leider gab es jemand anderes, der mit 5:21h noch besser geschätzt hatte^^

Jetzt kann ich mich bis 8h ausruhen — dann beginnt meine nächste Schicht — Es gibt viel aufzuräumen bevor wir die Fakultät zurück an die Fakultätsleitung übergeben können…

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