Blog von Johannes Lötzsch

relative Armut

Fri, 07 Aug 2009

Tags: relative Armut, Ungleichverteilung, Welthunger

Berthold Brecht schrieb: „Reicher Mann und armer Mann standen da und sah`n sich an. Da sagt der Arme bleich: 'Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.'“. Das ist nicht nur im Bezug auf die Ausbeutung der Armen durch die Reichen wahr, auch im Zusammenhang mit dem Begriff „relative Armut“ ist diese Aussage spannend:

Nach einer (in dieser oder ähnlichen Form) gängigen Definition (bei WHO, OECD, EU) wird als arm bezeichnet, wer ein geringeres Individualeinkommen als ein festgelegter Anteil (üblicher Weise 50%-60%) des Mittelwertes der Einkommen (in seiner Region) hat.

Diese Festlegung beschreibt zwar einen wichtigen Indikator für Armut, sollte aber nicht überbewertet werden, wie folgende Paradoxa zeigen:

  1. Wenn jeder doppelt (oder auch halb) so viel hätte, wären nach dieser Definition immernoch exakt genauso viele arm!
  2. Wenn es weniger Reiche gäbe (und damit ein geringeres mittleres Einkommen), dann gäbe es auch weniger Arme!
  3. Es werden nur Einkommen, aber keine weiteren Vermögen (Geld- und Sachbestände) eingerechnet!

Wie man Publikationen mit solchen Definitionen fälscht, zeigt www.weissgarnix.de heute am Beispiel der neusten Studie über arme Rentner. Dort steht, die Rentner in reichen Gegenden wären besonders arm, da sie nach Renteneintritt nicht ihr hohes „Einkommen auch nur annähernd halten können“.

Besonders spannend finde ich das zweiten Paradoxon: Aufgrund der extremen Ungleichverteilung in dieser Welt (den reichsten 1% gehören etwa 40% des weltweiten Reichtums) wäre die Armutsgrenze wenn man die reichsten 1% herausrechnet bei nur noch ca. 60% des aktuellen Wertes — Es gäbe also deutlich weniger, die man als Arm bezeichnen würde!

Wenn die Reichen nur gewillt wären, könnten sie den Armen sehr einfach helfen (und das ganz ohne irgendwelche Statistiken zu fälschen) — Eine Berechnung aus der weltweiten Einkommensverteilung ergibt: „Würde man den reichsten 1% etwa 10% ihres Vermögens durch steuerliche Massnahmen nehmen so könnte damit der Wohlstand der halben Weltbevölkerung verfünffacht werden!

Bis eine gerechtere Verteilung wirklich gewollt wird, werden weiterhin Milliarden Menschen hungern :(

Was meint ihr, wieviele Kinder während ihr diesen Artikel lest unnötig verhungern???

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