Geld ohne Zinsen
Tue, 18 Aug 2009
Tags: Vision, Geldumlaufsicherungsgebühr, Freigeld, Zinsproblematik, Wirtschaftssystem, Bernd Senf, Margrit Kennedy, Silvio Gesell, John Maynard Keynes
Erstmal vielen Dank für das Feedback der vergangenen Wochen! Die zahlreichen Gespräche über Wirtschaft (insbesondere mit BWL-Studenten, aber auch mit einigen anderen klugen Köpfen) haben mich bezüglich der genannten Probleme (Zinsproblematik, Schuldenfalle, schleichende Inflation, Wachstumszwang, zunehmend ungerechte Verteilung) zu einigen neuen Erkenntnissen gebracht: Die Wirkungen sind recht gut bekannt, über die Ursachen und Alternativen haben sich aber bisher nur die Wenigsten Gedanken gemacht. Für viele, die das derzeitige Finanzsystem verstehen aber von anderen Möglichkeiten nicht Bescheid wissen verteidigen den Status quo. Dies erfolgt mit Argumenten, die nachvollziehbar sind wenn man das derzeitige System im Kopf hat, allesdings aus einer globaleren Sicht nicht ausschlaggebend sein dürfen.
Alternativen zu unserem Finanzsystem
Einige Vorschläge werden in den verlinken Videos genannt, weitere im Buch „Geld ohne Zinsen und Inflation“ von Prof. Dr. Margrit Kennedy (das ich jetzt ausgelesen habe und gerne weitergebe…). In diesem Buch werden auch folgende Seiten verlinkt:
- www.humonde.de
- www.inwo.de
- www.margritkennedy.de
- www.monneta.org
- www.regionetzwerk.de
- www.sozialoekonomie.info
- www.geldreform.de
- www.roland-regional.de
Besonders grundlegend dürfte es sein, eine Lösung für die Zinsproblematik zu finden. Ein Ansatz dafür ist die Geldumlaufgebühr, die ich im nachfolgenden kurz erklären möchte. Sie beseitigt einen entscheidenten Systemfehler (den Zins) — Für eine heile Welt sind aber noch weitere Änderungen (z.B. Bodenreform, Steuerreform) nötig über die ich ein andermal schreiben werde.
Geldumlaufgebühr als Lösung für Zinsproblematik
Wie beschrieben führt der Zins zwangsläufig zu globalen ernst zu nehmenden Problemen, darunter
- ökologische Probleme
- wachsende Ungleichverteilung
- soziale Missstände
- Wirtschafts- und politische Krisen
Das Geldsystem sollte also dahingehend geändert werden, dass die zinsbedingten schädlichen Folgen behoben, die Funktionen des Zinses (vor allem der Anreiz überschüssiges Geld anzulegen) aber weiterhin erhalten bleiben.
Da es sich weiterhin auszahlen soll, wenn man unbenötigtes Geld anderen zum investieren zur Verfügung stellt, ein positiver Zins aber zu einer zerstörerischen Dynamik führt, ist es eine naheliegende Idee eine dem Zins gegenüberstehende Gebühr für das Horten von Geld einzuführen. Diese Umlaufsicherungsgebühr müsste die Höhe des langjährig gemittelten Zinzsatzes (ca. 5%) liegen um seine vollständige Wirkung zu entfalten.
Umlaufgesichertes Geld wird auch als Freigeld (da es frei von Zinsen und erzwungener Inflation ist) oder Schrumpfgeld (da sein Wert wenn es vom Markt zurückgehalten wird schrumpft) bezeichnet. Die Umlaufsicherungsgebühr muss zu festgelegten Zeitpunkten für jedes aufstaute (dem Umlauf entzogene) Geld bezahlt werden. Kosten entstehen nur für nicht genutztes Geld — Einkünfte und Konsum werden nicht belastet. Wenn alle die Geld horten (und damit der Wirtschaft schaden) die Gebühr zahlen müssten, entstände ein Ansporn das Geld abzugeben (als Gegenleistung würde man konsumieren oder investieren) oder es anderen (die es benötigen) borgen.
Während die Gebühr bei Giralgeld einfach abgezogen werden kann, muss Bargeld dafür zu bestimmten Fristen ausgetauscht oder mit Wertmarken versehen werden.
Dies würde zu vielen positiven Effekten führen:
- Verschuldete müssen keine Zinsen zahlen (da ihnen überschüssiges Geld gerne auch so gegeben wird); auch Hochverschuldete haben dann die Möglichkeit ihre Schulden zu begleichen statt sich durch Zins und Zinseszins immer tiefer zu verschulden. Statt in Abhängigkeit für andere zu Arbeiten könnte sie ihre Zukunft in Freiheit selber bestimmen — Das Hilft den armen Ländern mehr als jede bisherige Entwicklungshilfe, aber genauso den ebenfalls hochverschuldeten Industrienationen.
- Ohne Zinsausgaben des Staates ständen viele Milliarden mehr für wichtige Ausgaben (Bildung, Sozialsystem, Entwicklung, Kultur,…) zur Verfügung.
- Ohne Staatsverschuldung währe der Einfluss der Vermögenden auf die Gesetzgebung geringer; mehr Demokratie wäre denkbar.
- Der Zwang die Geldmenge exponentiell zu erhöhen (um Schulden begleichen zu können) entfällt; Die Geldmenge könnte durch reale Wahren gedeckt werden; Die Notwendigkeit der Inflation entfällt; Geld könnte ein zeitinvarianter Wertmaßstab werden.
- Der Wachtumszwang entfällt; Mit Ressourcen könnte vernünftiger umgegangen werden; Die Umwelt könnte geschohnt und Verteilungskriege gestoppt werden; Unnötige Katastrophen durch ausgehende Rohstoffe könnten vermieden werden.
- Notwendige ökologische Investitionen währen dann auch eher ökonomisch. Es könnte Nachhaltig im Interesse eines stabiles Ökosystems gewirtschaftet werden.
- Bezieher fester Einkommen bräuchten nicht unter inflationsbedingter Preissteigerungen leiden.
- Jeder könnte entsprechend seiner ehrlich geleisteten Arbeit bezahlt werden — lediglich das ungerechte belohnt werden für seinen Geldbesitz würde entfallen (extrem Reiche könnten nicht mehr GeldSchuldner für sich arbeiten lassen und dadurch ihr Vermögen weiter vermehren). Fleißige Reiche würden durch ihre tatsächlich geleistete Arbeit angemessen weiterverdienen.
- Dem überwiegenden Großteil der Bevölkerung (alle außer den reichsten) würde ohne Zinsen mehr Geld zur Verfügung stehen, da die hohen versteckten Zinskosten in Steuern, Mieten und Waren entfallen würden.
- Sogar die wenigen Reichen, die bisher vom Zins am ehesten provitieren, wären langfristig durch mehr Stabilität und Sicherheit besser dran.
Beispiele für Freigeld
Es gab und gibt bereits einige erfolgreiche Beispiele für umlaufgesichertes Geld. Abgesehen von den historischen Brakteaten handelt es sich dabei nicht um staatlische, sondern um lokale Komplementärwährungs-Initiativen. Besonders bekannt ist das „Das Wunder von Wörgl“. Viele deutsche Regionalwährungen mit Umlaufsicherung sind im Regiogeld e.V. zusammengeschlossen. Leider können die komplementären Regionalwährungen (insbesondere bei Bindung an andere Währungen) nur einen Teil ihrer Wirkung entfalten.
Schlussfolgerung
Ich habe vorhin erst wieder mit einem befreundeten Informatiker über diese Themen gesprochen. Er hat sehr viele Zusammenhänge selbstständig hinterfragt und geschlussfolgert, genau wie sie auch in den Werken von Keynes, Gesell, Kennedy und Senf beschrieben werden. Es ist schon spannend, wie so verschiedene fachfremde Wissenschaftler durch etwas Ethik und deduktivem Schließen auf so ähnliche Schlussfolgerungen kommen…
Freigeld stellt aus meiner Sicht eine vielversprechende Teillösung für viele unserer Hauptprobleme dar. Es sollte weiter durchdacht, in Komplementärwährungen erprobt und bei positivem Verlauf global umgesetzt werden.
Über weitere Gespräche zu diesem Thema mit euch würde ich mich freuen…